Dienstag, März 01, 2005

Familie und Nachbar in Not; Pierre Littbarski im Sauseschritt

Liebes Tagebuch!

Allzu lange habe ich die Ereignisbuchhaltung auf die lange Bank geschoben – zu trubelig war mein Leben in der vergangenen Woche! Da wird wieder Vieles dem Vergessen anheim fallen! Ich versuch’s trotzdem, schließlich bin ich eine Figur des öffentlichen Interesses und deswegen zur Veröffentlichung meiner Erlebnisse verpflichtet! Und nachdem der Ö3 nicht mehr täglich darüber berichtet, was ich grade mache, muss ich dies selbst tun...

Wichtigstes Ereignis meines Lebens in der letzten Woche war sicherlich die Reise ins Land meiner Ahnen, wohin mich ein Befehl von höchster Stelle verfügt hat: Da unsere viel zu reichen Eltern wieder einmal mitten im Jahr urlauben, oblag mir – einer ausgebildeten Philosophin! – die Pflege meiner zurückgebliebenen und obendrein noch multimaroden Familienmitglieder. Sabiene: outriert vorgetragener Schnupfen; Rassi: durch Dickleibigkeit verunmöglichtes Stufensteigen; Coala: detto, dazu noch Inkontinenz (bei der Einlieferung Harald Juhnkes hieß das im Wochenend-Standard noch euphemistisch: „Wegen akutem Flüssigkeitsverlust wurde er in ein Sanatorium gebracht“). Schön war das nicht.

Da ich es mir nun einmal zum Lebenssinn gemacht habe, Kinderaugen zum Leuchten zu bringen, nahm ich mich dann obendrein noch der Goldberger-Buam an. Auf dass die Februarsonne ein wenig Farbe auf deren blasse Wangen zaubere, entschloss ich mich zu einem Rodelausflug, denn es lag Schnee auf den Fluren Winkelns. Aber wie töricht war mein Ansinnen! Zeppelin G. war gar nicht erst aus Morpheus’ Armen zu locken, Valentin G. war der Hügel zu steil und Josef G., der zunächst als einziger wirklich einen Benefit aus dieser Outdoor-Aktivität zu ziehen schien, musste sein Herumtollen am nächsten Tag mit einem Hexenschuss bezahlen. Zu allem Übel wäre er beinah von seiner Frau ins neue Reha-Zentrum abgeschoben worden, da diese körperliche Leistungsfähigkeit in beinahe faschistoider Weise verherrlicht. Erneut musste ich gutmenschlich eingreifen; eine spontane und unbürokratische Familienaufstellung bewirkte die schnelle Linderung der Zwistigkeiten. So ganz nebenbei brachte ich die kleinen G's auf den richtigen, d.h. in diesem Fall gendergerechten Weg zurück, indem ich die Puppenküche aus dem Fenster warf (ich bin nicht homophob, aber man muss ein heterosexuelles Kleinkind doch artgerecht aufziehen!) und ein wenig Grenzen setzte, denn: Folgen muss man so schnell, wie das Mutzi lauft!

Schreckliche Probleme aber dann mit Coral! Als die damenhafte Ulla bei uns zum Tee war, musste ich deutlich ein Verdauungsgeräusch vernehmen! Die roh lachende Rüpelin log dann auch noch dreist: „Aus meiner Hose kommen nur Schleifgeräusche!“ Als ich mich dann Dir, liebes Tagebuch, anvertraue, vergällt sie mir diese Freude, indem sie ständig herschaut und diese geheimen Aufzeichnungen durch ihre Augen zu schänden droht! Sobald ich sie auf ihr Fehlverhalten aufmerksam mache, guckt sie schnell wieder in ihren albernen Roman „Wie Pierre Littbarski einmal im Sauseschritt Japanisch lernte“ und kräht „I moch Übungen!“ Ist das nicht doof? Durch ihr dummes Lachen (sie hält sich jetzt immer den Bauch dabei, oh Gott!) und unmotiviertes „Japanisch“-Reden werde ich auch daran gehindert, gemeinsam mit Sabiene unsere Lieblingssendung „Kinderquatsch mit Michael“ zu genießen! Aus Langeweile kaut Coral nun ihren Kaugummi so laut, dass man unwillkürlich an Rassis schmatzende Intimpflegegeräusche erinnert wird... Himmelreich, wie schwer bist du verdient!

Am Samstag gab es Reisschmiere, am Sonntag Gemüsewuli, die ich aber aus Empörung über Coala nicht aufessen konnte! Außerdem waren in den Sojawuli Gene drinnen, sodass ich furchtbar Kopfhautjucken bekam.

Aber anstatt mir am Montag Erholung von all der an diesem Wochenende erlittenen Unbill gönnen zu können, musste ich den ganzen Nachmittag mit Julia verbringen, die sich nach wie vor keine andere Unternehmung ausdenken kann, als sich als Mann zu verkleiden. Ich musste ernst die Hände falten und sagen: „Julia, ich habe dir bereits tausendmal gesagt, dass ich eine Frau bin!“ Außerdem war sie ganz geknickt, da Birgit mich als Mann fescher findet als sie – kein Wunder, fehlt doch Julia der Mut, sich wirklich hässlich zu verkleiden, da schimmert ihre Weiblichkeit zu sehr durch. Am Faschingsdienstag (Julia verkleidete sich als Mooshammer Jr., ich als James Hetfields Bruder) musste sie auch hinnehmen, dass ein Betrunkener sie als „Weibchen“ erkannte, bei mir hingegen unsicher blieb! Ich selber fühle mich jedenfalls durch Birgits Bevorzugung geschmeichelt, werde aber an meiner weiblichen Identität zumindest so lange festhalten, bis sie mir das selbst und persönlich sagt.

Heute findet der 6. Jahrestag meines Verhältnisses zum Grünstiftpädagogen Alois statt. Erst vor fünf Minuten musste ich ihn daran erinnern, dass man sich an diesem Tag eigentlich zeigen sollte, wie sehr man einander respektiert, aber nicht „Wir lassen uns das Saufen nicht verbieten!“ grölen muss! Seine Reaktion auf meinen Tadel: „Du kriegst Schuppen!“

Heute gibt es Marillenmarmeladebrote, ich freu mich schon.

1 Kommentar:

Dominika Meindl hat gesagt…

Der Fairness halber sollte ich veröffentlichen, was mir in Bezug auf die Goldberger-Kreuzweh-Episode ins virtuelle Haus trudelte:

"Hier meldet sich das
Generalsekretariat von Frau Goldbär.

Exkurs: Diese temporäre Einrichtung wurde für die Zeit der Rekonvaleszenz von Herrn Goldbär - dem Opfer eines Hexenschuss-auslösenden Heimtückeaktes - als Beschäftigungstherapie ins Leben gerufen. Hr. Goldbär wurde Opfer der "ILL-ISMUS"-Bewegung, einer im Handbuch des Rechtsextremismus folgendermaßen definierten rechten Splittergruppe: 'Im oberösterreichischen Zentralraum stark reüssierende Bewegung, die einem vulgärdarwinistischen Gesundheitskult und einer Ächtung von Krankheit das Wort redet. Junge 'kraftstrotzende einheimische Maiden' gehen dabei mit Schneebällen auf kränkelnde Individuen los, die in der Folge keinerlei Mitleid von ihrer gegen sie aufgehetzten Familie zu erwarten haben.'

Dieses Sekretariat von Fr. Goldbär also teilt Ihnen mit, dass genannte erst wieder morgen abend zugegen ist. Sie ist zu ihren Eltern geflohen, weil sie die Hinfälligkeit ihres Mannes aus ideologischen Gründen nicht mehr ertragen konnte."

Da kann ich nur erwidern: Vulgärdarwinismus rules ok! Und wir werden weiter reüssieren!